Bibliothek V.v.Weizsäcker, um 1941



Gesammelte Schriften

Herausgegeben von:
Peter Achilles, Dieter Janz, Martin Schrenk und Carl Friedrich von Weizsäcker. Unter Mitarbeit von Baziel van Engelen, Rainer-M.E. Jacobi, Mechthilde Kütemeyer, Wilhelm Rimpau und Walter Schindler.

Band 1 :

Natur und Geist. Begegnungen und Entscheidungen

Herausgegeben von Peter Achilles, Dieter Janz, Martin Schrenk, Carl Friedrich von Weizsäcker. Bearbeitet von Mechthilde Kütemeyer, Wilhelm Rimpau unter Mitwirkung von Peter Achilles, Dieter Janz, Walter Schindler und Martin Schrenk

(1986, 712 Seiten)

Band 1 der Gesammelten Schriften Viktor von Weizsäckers enthält vor allem die beiden autobiographischen Bücher „Natur und Geist“ und „Begegnungen und Entscheidungen“ – außerdem eine Reihe von Aufsätzen über medizinische Lehrer und Zeitgenossen von Weizsäckers, einige Nachrufe, Aufsätze über Goethe, Schelling, Alexander von Humboldt und Sartre sowie Einleitungen zu Werken von Kant und Fechner und schließlich eine Auswahl aus Weizsäckers Besprechungen psychosomatischer und philosophischer Publikationen.

Der Leser wird mit der enormen Breite von Weizsäckers Interessen, mit der Vielfalt seiner Forschungsgebiete vertraut gemacht. Er nimmt teil an dem Versuch Weizsäckers, die wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Wandlungen seit der Jahrhundertwende, die Erschütterungen des naturwissenschaftlichen Weltbildes, die „Zerstörungen der bürgerlichen Sekurität“, den Untergang religiöser Normen zu beschreiben und zu verstehen.

Er erlebt Weizsäcker als hellsichtigen Beobachter und Diagnostiker, als „Arzt im Irrsal der Zeit“, der sich selbst, vor allem bei Fragen um den Nationalsozialismus, als von der „Krankheit“ Betroffener an keiner Stelle ausnimmt. Bis in entlegene Winkel deutscher und europäischer Kultur hält Weizsäcker Ausschau nach neuen heilsamen Denk- und Lebensformen. Weizsäckers Analysen ranken sich um seine Begegnungen mit Personen, mit deren Schicksalen und ihren geistigen, wissenschaftlichen oder politischen Stellungnahmen. Bekannte Gestalten rücken in ein neues Licht, verschollene und vergessene werden wieder lebendig und ihre Denkanstöße zu aktuellen Herausforderungen.

Band 2 :

Empirie und Philosophie. Herzarbeit / Naturbegriff

Bearbeitet von Peter Achilles, Walter Schindler unter Mitwirkung von Rainer-M.E. Jacobi, Dieter Janz, Mechthilde Kütemeyer und Wilhelm Rimpau

(1998, 592 Seiten)

Die in diesem Band enthaltenen frühen Arbeiten Viktor von Weizsäckers dokumentieren das spannungsvolle Nebeneinander von Naturwissenschaft und Naturphilosophie, das, als vorläufige Antwort Weizsäckers auf das einseitige klassischnaturwissenschaftliche Denken der Medizin, seine Studien- und Assistenzzeit bestimmte. Nach dem Ersten Weltkrieg begriff er dieses „Doppelleben“ als Ausdruck des Versagens empirischen und philosophischen Erkennens vor der Aufgabe, einen verantwortlichen Umgang mit der Natur und der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu ermöglichen.

Aus dieser Krisenerfahrung entstand Weizsäckers Versuch, zunächst aus einem religiösen Impuls durch Wissenschaftskritik und Philosophiekritik, später aber durch die Entwicklung einer medizinischen Anthropologie, d.h. durch eine veränderte Auffassung der Naturvorgänge, zur Überwindung der „Spaltung der Vernunft“ beizutragen. Die Konflikte zwischen Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie sowie die Frage nach ihren individuellen und historischen Auswirkungen geben den Texten des Bandes mehr als nur historische und biographische Bedeutung. Sie tragen bei zum Verständnis der Konflikte gegenwärtiger Medizin, die vor diesem Hintergrund entstanden sind.

Band 3 :

Wahrnehmen und Bewegen. Die Tätigkeit des Nervensystems

Bearbeitet von Dieter Janz, Wilhelm Rimpau unter Mitwirkung von Peter Achilles, Baziel van Engelen, Mechthilde Kütemeyer und Walter Schindler

(1990, 850 Seiten)

Band 3 der Gesammelten Schriften vereinigt – bis auf den „Gestaltkreis“ und die Arbeiten um den Gestaltkreis – Weizsäckers wesentlichste neurologische Schriften. Den größten Raum nehmen Untersuchungen ein, mit denen er den Plan seines Lehrers Ludolf von Krehl, „die Behandlung innerer Krankheiten nach den Grundsätzen der pathologischen Physiologie“ zu gestalten, auf die Neurologie zu übertragen versuchte. Schon in den ersten Arbeiten erfährt er das Problematische und Widerspruchsvolle einer exakt physiologischen Interpretation zentralnervöser Leistungen, besonders aber der Willkürbewegungen und der Sinnestätigkeit. Konsequent durchgeführte und zu Ende gedachte Funktionsanalysen der Abbauformen von Sensibilität und Motilität an Kranken führten zu einer radikalen Kritik und einer Revision von Grundbegriffen der klassischen Physiologie und Pathologie.

Mit der Entdeckung des Funktionswandels am Beispiel der „Veränderlichkeit der Drucksinnschwelle unter den Händen des Untersuchers“, den er später auch auf anderen Sinnesgebieten nachweisen konnte, war die klassische Annahme einer Konstanz zwischen Reiz und Reaktion erschüttert. Ähnlich unbrauchbar für das Verständnis von nervösen Leistungen und biologischen Akten wie etwa das Sehen, das Gehen, die Sprache erwies sich die Lehre der älteren Physiologie, die sich das Ganze aus Teilen, die Tätigkeit des Nervensystems aus Elementarfunktionen zusammensetzbar dachte.

Durch gründliche Beobachtungen, messende Untersuchungen an Gesunden und Kranken und mit Hilfe einfacher Experimente kommt er zu einer Zusammenhangslehre nervöser Leistungen, die von modernen neurobiologischen Vorstellungen nicht überholt ist.

Band 4 :

Der Gestaltkreis. Theorie der Einheit von Wahrnehmen und Bewegen

Bearbeitet von Dieter Janz, Wilhelm Rimpau, Walter Schindler unter Mitwirkung von Peter Achilles und Mechthilde Kütemeyer

(1997, 680 Seiten)

Band 4 der Gesammelten Schriften Viktor von Weizsäckers enthält sein bekanntestes, in mehrere Sprachen übersetztes Werk „Der Gestaltkreis“ sowie Aufsätze und Vorträge, die als direkte Vorarbeiten, Vertiefungen oder Ergänzungen der „Theorie der Einheit von Wahrnehmen und Bewegen“ anzusehen sind. Diese Beiträge aus den Jahren 1931 bis 1948 haben ihren jeweiligen Schwerpunkt teils im experimentellen, teils im theoretischen bzw. im philosophischen Bereich und spiegeln so die Spannweite des Hauptwerkes, das 1940 erstmals veröffentlicht wurde. Bereits die sinnesphysiologischen Experimente, die der Gestaltkreis-Theorie zugrunde liegen, verdeutlichen in ihrer Eigenart Weizsäckers Anliegen: sie verbinden klassisch objektivierende Verfahren mit der wissenschaftlichen Anerkennung von Erlebnisqualitäten. Das Wahrnehmungsgeschehen – und im weiteren jeder „biologische Akt“ – läßt sich nur erforschen, wenn man seine biologische Eigentümlichkeit, nämlich Akt eines erlebenden „Subjektes“ zu sein, in der Forschung methodisch berücksichtigt und sich den Konsequenzen für die Theoriebildung stellt. Deren in diesem Band zur Sprache kommende Vielfalt beeindruckt: Sie reicht von Neuorientierungen in der Physiologie („Leistungs-“ statt „Leitungsprinzip“) über die Emanzipation der biologischen Struktur der „Zeit“ von der physikalischen bis hin zu der erkenntnistheoretischen Festlegung, der „Indeterminismus“ sei konstitutiv für die biologischen Akte, ebenso wie für die Wissenschaft, die sie untersucht, die Biologie.

Insofern stellt sich der „Gestaltkreis“ als biologisches und metabiologisches Modell zugleich dar. Weizsäckers Auseinandersetzung mit dem älteren „Funktionskreis“- Modell Jakob von Uexkülls rückt die frappierende Modernität des „Gestaltkreises“ in den Blick: die von Uexküll geforderte „Einführung des Subjekts“ in die Biologie ist notwendig verbunden mit der Einführung der Subjektgebundenheit des Erkennens. Hier zeigt sich der „Gestaltkreis“ nicht nur als methodischer und theoretischer Kern des Weizsäckerschen Werkes, der wesentlich die Ausformung der „Medizinischen Anthropologie“ bestimmt hat, sondern auch als früher Meilenstein in der großen, bis heute nicht abgeschlossenen Auseinandersetzung um die Rückbindung der wissenschaftlichen Erkenntnis an die Erkennenden: „Es gibt also gar keine Möglichkeit, die psychisch erlebte Gegebenheit zu eliminieren, und auch keine, die objektive Deutung auf etwas anderes als auf sie zu begründen. Der Traum der unabhängig vom erlebnisfähigen menschlichen Subjekt darstellbaren Erkenntnis ist ausgeträumt."

Band 5 :

Der Arzt und Der Kranke. Stücke einer Medizinischen Anthropologie

Bearbeitet von Peter Achilles unter Mitwirkung von Dieter Janz, Mechthilde Kütemeyer, Wilhelm Rimpau, Walter Schindler und Martin Schrenk

(1987, 440 Seiten)

Band 5 der Gesammelten Schriften vereinigt die frühen Arbeiten Viktor von Weizsäckers zur medizinischen Anthropologie von 1926 bis zum ersten zusammenfassenden Überblick 1934 (Ärztliche Fragen).

Aus „philosophischen und religiösen Antrieben heraus“ sollte der Mechanismus und Materialismus der Medizin überwunden werden: „auf halbem Wege stellte sich die Psychologie als Helferin ein.“ Hinzu kam ein „ganz aufrichtiges Unbehagen an der Ausübung unseres Berufes.“ So stehen nicht philosophische und theologische Theorien im Zentrum, sondern die Frage, ob es „ein ursprüngliches Wesen der ärztlichen Situation gibt“, „eine Sache, welche nicht durch die Kultur, durch das Menschentum, durch eine religiöse Botschaft erst erzeugt wird, sondern von der aus vielmehr Antrieb und Hinweise zur Tätigkeit von Kultur, Humanität und Religion erst erfolgen.“ In den Jahren 1926 bis 1928 veröffentlichte Weizsäcker in der Zeitschrift Die Kreatur, die er zusammen mit Martin Buber und dem von der Kirche bekämpften Katholiken Joseph Wittig herausgab, drei Aufsätze als „Stücke einer medizinischen Anthropologie“.

Das Thema „Der Arzt und der Kranke“ – so der Titel des ersten Aufsatzes – wird zum Leitthema der medizinischen Anthropologie. Weizsäcker findet in der Beziehung von Arzt und Krankem das „Ärztlich-Eigentümliche“, den Ursprung des ärztlichen Erkennens und das Zentrum ärztlichen Handelns. In dieser Beziehung erweist sich ein Zusammenhang von Krankheit und Unwahrheit bzw. von Gesundheit und Wahrheit. Gegenüber dem „Liebesverlust und damit Wirklichkeitsverlust in der objektiven Denkform“ kann die Krankheit in der Gestaltung der ärztlichen Beziehung endlich erscheinen als das, was sie ist, nämlich als „Anerbietung eines Wissens um die Wahrheit“: „Solche Auffassungen möchte ich am liebsten weder philosophische, noch psychologische, noch biologische, sondern anthropologische nennen.“ In diesem Sinne sind alle Texte dieses Bandes „Stücke einer medizinischen Anthropologie.“

Band 6 :

Körpergeschehen und Neurose. Psychosomatische Medizin

Bearbeitet von Peter Achilles unter Mitwirkung von Dieter Janz, Mechthilde Kütemeyer, Wilhelm Rimpau, Walter Schindler und Martin Schrenk

(1986, 638 Seiten)

Psychosomatische Medizin ist für Viktor von Weizsäcker keine Spezialdisziplin der im übrigen ausschließlich naturwissenschaftlichen Medizin; Psychosomatik ist für ihn vielmehr der Inbegriff einer gewandelten Medizin, die mit der „Einführung des Subjekts“ durch und durch psychosomatisch sein wird. Sofern Krankheit für den Menschen eine „Gelegenheit“ ist, „er selbst zu werden“, bietet sie den Ausgangspunkt einer heilsamen Revision unseres Zusammenlebens, unseres Wirklichkeits- und Naturverständnisses. Diese so verstandene psychosomatische Medizin nennt Weizsäcker auch anthropologische Medizin.

Band 6 der Gesammelten Schriften Viktor von Weizsäckers enthält Arbeiten, die den Zugang zur Wandlung der Medizin von dem im engeren Sinn psychosomatischen Thema „Körpergeschehen und Neurose“ her beleuchten. Wie der Inhalt der gleichnamigen Studie zeigt, bedeutet dies für Weizsäcker die ständige Vermittlung von Psychoanalyse, Gestaltkreisforschung, sozialmedizinischer Arbeit, Philosophie, Theologie und den Erfahrungen im Umgang mit dem Kranken. In der Mitte des chronologisch geordneten Bandes stehen zwei im Werk Weizsäckers zentrale Monographien: „Körpergeschehen und Neurose“ (1933) und „Studien zur Pathogenese“ (1935).

Weizsäcker bezeichnet die Studie „Körpergeschehen und Neurose“ als „die für meine gesamte weitere Forschung entscheidende.“ Es entstand in ihr „unvermerkt eine Art von neuer Anthropologie“, die über die Psychoanalyse hinausging, „indem nämlich die Konstellation der Umwelt samt Organismus wesentlich in den Begriff Mensch einbezogen wurde.“ Während „Körpergeschehen und Neurose“ am Fall der psychoanalytischen Behandlung einer Miktionsstörung und der Untersuchung einer in diesem Zusammenhang aufgetretenen Angina tonsillaris Formalismen des Krankheitsgeschehens (Krise, Stellvertretung, Es-Bildung) erarbeitet, bekommen in den „Studien zur Pathogenese“ auf einer breiteren kasuistischen Basis die biographischen Inhalte (Sexualität, Moral, Person, Religion) mehr Gewicht.

Band 7 :

Allgemeine Medizin – Grundfragen Medizinischer Anthropologie

Bearbeitet von Peter Achilles unter Mitwirkung von Dieter Janz, Mechthilde Kütemeyer, Wilhelm Rimpau, Walter Schindler und Martin Schrenk

(1987, 530 Seiten)

Im Band 7 der Gesammelten Schriften sind Arbeiten versammelt, mit denen Viktor von Weizsäcker sich dem Ziel einer „Allgemeinen Medizin“ zu nähern versuchte. Dieser Band vergegenwärtigt daher in besonderer Dichte, was er im letzten Beitrag „Meines Lebens hauptsächliches Bemühen“ nennt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde für Weizsäcker in Heidelberg ein Lehrstuhl für „Allgemeine klinische Medizin“ eingerichtet. In dieser letzten Phase seiner Tätigkeit entstanden die meisten der in diesem Band enthaltenen Texte.

Die Allgemeine Medizin hat nicht die wertfreie Reflexion wissenschaftlicher Grundlagen zum Thema, sie fragt nicht nach Ontischem, sondern sie ist leidenschaftliche Suche nach dem Pathischen: „Der Begriff ‚allgemein’ ist ein Notbehelf: gemeint ist eine Besinnung aufs Menschliche, auf die Erforschung des Menschen, auf das Studium der Krankheiten als einer Weise des Menschseins. Diese allgemeine Medizin kann also eine anthropologische genannt werden.“ Unter dem leitenden Gesichtspunkt des Pathischen verknüpft sie Gestaltkreistheorie, psychosomatische und soziale Medizin sowie die religiöse Wahrheitsfrage, Überlegungen zum Kulturbeitrag der Medizin und Untersuchungen ihrer Beziehung zur Psychoanalyse und zum Christentum.

Band 8 :

Soziale Krankheit und soziale Gesundung. Soziale Medizin

Bearbeitet von Dieter Janz, Walter Schindler unter Mitwirkung von Peter Achilles, Mechthilde Kütemeyer und Wilhelm Rimpau

(1986, 328 Seiten)

Die in Band 8 der Gesammelten Schriften zusammengestellten Arbeiten Viktor von Weizsäckers sind dem Problemfeld der sozialen Krankheit und damit dem Aufgabenbereich einer sozialen Medizin zugeordnet. Schon der Begriff „soziale Krankheit“ widersprach – und widerspricht noch immer – dem Selbstverständnis der etablierten naturwissenschaftlichen Medizin: „Was haben Wirtschaft und Politik, was hat die Sozietät mit den Gegenständen der Pathologie zu tun?“ Daß diese Frage keine rhetorische ist, demonstriert Weizsäcker an der Situation der ärztlichen Gutachtertätigkeit.

Der Arzt, der als Gutachter die geminderte Arbeitsfähigkeit bzw. die Arbeitsunfähigkeit eines Unfallkranken beurteilt und damit die Ansprüche des Kranken an die Sozial- bzw. Rentenversicherung begutachtet, trifft eine soziale Entscheidung.

Der Arzt ist als Gutachter gezwungen, aus der Pathologie diese soziale Entscheidung zu begründen. Weizsäckers These ist: es gibt kein System der Pathologie, durch welches die Arbeits- und Existenzfähigkeit eines Menschen befriedigend klar zu erkennen wäre. Derselbe körperliche Zustand kann sich bei verschiedenen Arten der Arbeit ganz unterschiedlich auswirken. Es gibt keine „theoretische“ Arbeitsfähigkeit für einen „allgemeinen Arbeitsmarkt“, sondern die praktische Arbeitsfähigkeit für verschiedene Arten von Arbeit. Die praktische Leistungsminderung ist daher auch nur für eine bestimmte Arbeit feststellbar. Der Widerspruch zwischen der klinischen Pathologie des Defektes, aus der über die Arbeitsfähigkeit des Kranken geurteilt wird, und der Ökonomie der Arbeitsfähigkeit auf einem allgemeinen Arbeitsmarkt wird in der biographischen Situation des Kranken konkret, denn er erleidet nicht nur seine Krankheit, sondern er leidet gerade auch an den psychologischen, sozialen und ökonomischen Folgen seiner Insuffizienz. Für den Arzt wird dieser Widerspruch an dem Kranken erfahrbar, der um seinen Rechtsanspruch auf Rente kämpft und in diesen Kampf um sein Recht eine spezifische Neurose entwickelt.

Band 9 :

Fälle und Probleme. Klinische Vorstellungen

Bearbeitet von Peter Achilles, Martin Schrenk unter Mitwirkung von Dieter Janz, Mechthilde Kütemeyer, Wilhelm Rimpau und Walter Schindler

(1988, 752 Seiten)

Band 9 der Gesammelten Schriften enthält kasuistische Vorlesungen, die Viktor von Weizsäcker als Professor für „Allgemeine klinische Medizin“ nach dem Zweiten Weltkrieg in Heidelberg hielt, außerdem eine theoretische Einführung in die Medizinische Anthropologie aus der gleichen Zeit. So gibt dieser Band einen Einblick in den Zusammenhang von Theorie und Praxis, von Medizinischer Anthropologie und Anthropologischer Medizin.

Die Vorlesungen hinterließen bei ihren Hörern einen außerordentlich nachhaltigen Eindruck. Viktor von Weizsäcker improvisierte sie meist aus wenigen Notizen. Die Texte haben den Charakter des gesprochenen Wortes behalten, da sie ohne eingreifende Bearbeitung mit ihren sprachlichen Eigentümlichkeiten wiedergegeben sind. Von der Vorstellung eines Patienten und seiner Geschichte ausgehend, führen sie zu Grundproblemen der Medizinischen Anthropologie. Sie zeigen Viktor von Weizsäckers Umgang mit den Kranken und vermitteln so die „Gesinnung“ und die Methode seiner Anthropologischen Medizin.

Der Zusammenhang von klinischer Erfahrung und theoretischer Reflexion wird in diesen Vorlesungen mit jedem Krankheitsfall neu dokumentiert. Nach der Konzeption des Gestaltkreises können wir die Welt nicht erkennen, ohne sie zugleich zu verändern. Entsprechend gewinnt die Anthropologische Medizin klinische Erfahrung nicht aus der Anwendung objektiver Erkenntnis auf den Einzelfall, sondern der „Umgang“ mit dem Kranken entscheidet darüber, in welcher Weise das Krankheitsgeschehen erscheint. Im Umgang von Arzt und Krankem entsteht ein gemeinsam gestaltetes Bild der psychosomatischen Krankengeschichte. So weisen die Vorlesungen darauf hin, daß die je einmalige Begegnung mit dem einzelnen Kranken für die Theorie einer Anthropologischen Medizin unverzichtbar ist.

Band 10 :

Pathosophie

Bearbeitet von Walter Schindler, Dieter Janz, Peter Achilles unter Mitwirkung von Mechthilde Kütemeyer und Wilhelm Rimpau

(2005, 648 Seiten)

Mit der Veröffentlichung der „Pathosophie“ kommt die Edition der Gesammelten Schriften Viktor von Weizsäckers zum Abschluß. In diesem für das Verständnis von Weizsäckers Denken zentralen und wissenschaftshistorisch bedeutenden Werk entwirft Weizsäcker eine neue Anthropologie, in der das leidenschaftliche, pathische Wesen des Menschen Ausgang und Ziel einer „an Haupt und Gliedern“ reformierten Medizin wird. Aus der pathosophischen Bestimmung des menschlichen Daseins erfolgt in den beiden zentralen Kapiteln die Grundlegung einer allgemeinen und einer speziellen Krankheitslehre. Im Anschluß an die Einführung der biographischen Methode wird eine neue Einteilung und Ordnung von Krankheitseinheiten vorgeschlagen.

Der anschließende „Versuch einer Enzyklopädie“ stellt in gesonderten Textstücken zentrale Themen der pathischen Existenz heraus – z.B. Tod, Schmerz, Wille, Sexualität, Bewußtsein, Staat, Macht, Lüge – und schließt mit einer Theorie des Menschen. Diese neue Ausgabe der „Pathosophie“ bietet erstmals den Wortlaut des Manuskripts, kollationiert mit zwei Typoskripten aus dem Nachlaß. Damit wird dieses Werk, das die Summe von Weizsäckers Lebensarbeit darstellt, in der Fassung letzter Hand zugänglich gemacht.

Der Band enthält, neben einem ausführlichen Werkkommentar, ein Gesamtinhaltsverzeichnis der Gesammelten Schriften, einen biographischen Abriß und eine umfassende Bibliographie der Publikationen Weizsäckers.